vague.

Hot. Or not.

Wie du 1995 in deinem Stern-Einachserbüro endlich als erster in der Redaktion deinen Internetanschluss bekamst. Und dir als erstes irgendein Kaffeemaschinenfüllstand in irgendeiner kalifornischen Universität gezeigt wurde, auf dem Internet. Wie du das sofort euphorisch erzähltest. Und sie sagte: Was soll der Scheiss. Woraufhin du dich wahnsinnig vornedran fühltest. Weil du wusstest, was der Scheiss sollte und worauf er hinauslaufen würde. Und sie nicht. Du aber schon. Sie hatte recht. Und du nicht. Euphorie hat nie recht. Nicht auf lange Sicht.

Wie du neulich völlig geflashst davon warst, als sie mit ihrem simkartenlosen, am WLAN hängenden alten Iphone zu dir kam und dir zeigte, wo ich das Ladybug-Kostüm bestellen konnte, das sie haben wollte. Und du dadurch bemerktest, dass sie zu googeln angefangen hatte. Per Sprachsuche, die du ihr nie gezeigt hattest, weil du noch nie per Sprachsuche gegoogelt und wahrscheinlich zwar gewusst hast, dass es so etwas gibt, aber das war totes Wissen, irgendwo weit unten in der Geröllhalde des toten Wissens. Krass, dachtest du. Mit fünf! Wie toll ist das denn! Und warst wieder einmal euphorisch. Über das Internet und dass sich ein fünfjähriges Kind darin zurechtfindet. Du kriegst es einfach nicht mit. Euphorie hat nie recht. Google schon.

Wie du dich an viele Internetverrücktheiten nur noch erinnern kannst, wenn du dich anstrengst und nachdenkst, was damals so war. Hot or not, bei dem du bewerten konntest, ob jemand attraktiv oder scheiße aussah, dass da Menschen ihre Fotos hochluden, um ihre Gesichter bewerten zu lassen, und wie du dann allen 10 Punkte gabst, aus Trotz und dich super fühltest. Aber die Typen, die das erfunden hatten, hatten ziemlich sicher einen Millionendollar-Exit, und es war völlig egal, wie irgendjemand irgendjemanden fand. Oder dieses Eiswürfelüberdenkopfschütten, um angeblich auf irgendeine Krankheit aufmerksam zu machen, und wie das in deiner Wahrnehmung das erste war, bei dem diese ganzen C-D- und E-Promis, die sonst nur in der Gala oder in der Bunten vorkamen, sich bei etwas im Netz beteiligten – niemand ist zu blöd, um sich Eiswürfel über den Kopf zu schütten und dabei filmen zu lassen. Die dicken Hintern in Pellwurstleggins. Die Milchschaumfotos. Die Restaurant-Reviews auf längst nicht mehr existierenden Websites, selbst du hast welche geschrieben und dir Mühe gegeben, sie irgendwie "besonders" zu machen, dabei hast du da schon kapiert, dass es nur darum ging, Geschäftsideen mit so viel Content zu füttern, dass für irgendwelche Typen ein Exit möglich wurde. Diese Listicals auf Buzzfeed und weiß Gott wo noch, mit ihren Klickbait-Headlines. Und immer noch klickst du das an, wenn so etwas in deinem FB-Feed auftaucht. Oder diese Stampeden immer wieder. Dass sich plötzlich jeder bei dieser FB-Alternative anmeldete. Oder, jeder, der reden konnte, einen Podcast machen musste. Oder statt auf seinem Weblog zu schreiben bei Twitter war. Wie viele Leute dir abhanden gekommen sind dadurch. Plötzlich waren sie weg. Du hast sie noch vermisst, manche ziemlich lange, aber du hättest dich bei ihnen melden können, um sie zu fragen, wie es ihnen geht. Hast du aber nicht. Das Netz hat dich zu einem Konsumenten gemacht: Wenn du deinen Laptop aufklappst, erwartest du, dass alle da sind, und falls nicht, ist es eben so; wäre ja zu anstrengend, nicht alles delivered zu bekommen.

Wie du, wie alle anderen, irgendwann damit begonnen hast, ständig Updates von allem haben zu wollen. Weil es schließlich ständig Updates von allem zu geben begann. Die Frontverläufe in den Kriegen, bei der Verbreitung von Viren, in den Regionalzügen mit den 9-Ticket-Besitzern. Wie du, es hat ein paar Jahre gedauert, damit aufgehört hast, Texte darüber zu lesen, was das (die "Echtzeit", die "Live-Ticker") mit "uns" macht. Weil ja völlig klar war, was das mit uns macht: zu leuten, die ständig irgendwelche Klick-Zähler betätigen.

Wie du dich dennoch manchmal fragst, was "das alles" mit "uns" macht. Kognitiv, mental, emotional, moralisch, sozial. Irgendetwas MUSS es ja mit uns machen. Manchmal versuchst du dich daran zu erinnern, wie es war, bevor dir jemand den Kaffeemaschinenfüllstand in irgendeiner kalifornischen Universität gezeigt hat. Als du noch Zeitungen gelesen hast. Als du noch niemanden geliked, kommentiert, bewertet, blockiert hast. Als du noch nicht wusstest, was du tun solltest, wenn du mal 20 Minuten irgendwo saßst und keine Lust auf ein Buch hattest. Als du in Tokio standest mit einem Falk-Stadtplan, der dir nicht weiterhalf, weil es so irre mühsam war, die Schriftzeichen an irgendwelchen Blocks mit den Schriftzeichen im Stadtplan abzugleichen. Oder als du noch nicht wusstest, wie Creampies in Großaufnahme aussehen. Oder ältere Menschen bei mutueller Masturbation. Als du dich noch nicht bei Wikipedia darüber informieren konntest, was es über den "Anstandsrest" zu wissen geben könnte und du noch nicht googlen konntest, wo man ein Ladybug-Kostüm bekommt oder was Alberghi diffusi sind. Du bist sicher, dass das irre viel mit dir gemacht hat. Und mit allen anderen. Selbst mit denen, die immer noch nicht am Netz hängen, den Abgehängten.

Aber du kannst dich nicht einmal mehr wirklich daran erinnern, wie das Leben für dich war, ehe dir jemand den Kaffeemaschinenfüllstand in irgendeiner kalifornischen Universität gezeigt hat - wie es WIRKLICH war, in seinen Konkretionen.

Manchmal würdest du gerne wissen, was aus dir geworden wäre, wenn es das Internet nicht gegeben hätte. Und hättest gerne so einen Klon von dir, in einer Welt, in der es nie ein Netz gegeben hat. Nur, um das vergleichen zu können. Eine Art medialer alternative history.

Als ob ich mir das vorstellen könnte.

83. Peer Steinbrück und Frank Walter Steinmeier hören ein Lied.

Peer Steinbrück dreht sich erschrocken um. Frank Walter Steinmeier (laut, um die Musik zu übertönen): Entschuldigung. Ich wollte dich nicht erschrecken. Einen Moment lang starrt Peer Steinbrück Frank Walter Steinmeier an, als hätte er ihn nie zuvor gesehen. Dann fängt er sich und sagt: Hör mal! Musik: Alles was ich will, nanananana, ist nur die Regierung stürzen. Frank Walter Steinmeier: Toll. Beide lächeln.

69. Don’t get up gentlemen, I’m only passing through.

& dann fiel mir auf, dass ich in diesem Sommer, in dem ständig über Kinderschwänze geredet wird, nun seit 25 Jahren in Deutschland lebe, einem Land, in dem ständig Debatten erbrachen, über die Anpassung des Asylrechts, um es vor Asylmissbrauch zu schützen, über die Anpassung des Sozialsystems, um es vor Sozialhilfebetrügern zu schützen, über die Anpassung des Pazifismus, um Hufeisenpläne vereiteln zu können, über die  Steuerung der Einwanderung zur Vermeidung des Intelligenzverfalls durch Türken, über den Schutz der Freiheit, die Betreuung seiner Kinder nicht Kindertagesstätten überlassen zu müssen, über die Anpassung des Sprachgebrauchs an den Umstand, dass der Krieg in Afghanistan ein Krieg ist, über die Notwendigkeit der Sicherung der Seetransporte durch die Bekämpfung der Piraten am Horn von Afrika auch auf dem Festland, über Sinn und Unsinn des Wiederaufbaus des Berliner Stadtschlosses, über Sinn und Unsinn der Errichtung eines Denkmals für die ermordeten Juden Europas, über die Bekämpfung des Rassismus durch Lichter- und Menschenketten, über die Überstrapazierung der Geduld der Bürger durch den ungebremsten Zuzug von Ausländern, deren Massierung die Ausländerfeindlichkeit erst hervorruft, über die Unschuld eines fröhlichen Nationalismus, der sich dem Bedürfnis ergibt, bei der Nationalhymne mitzusingen wie Angehörige anderer Natronen auch, über die Notwendigkeit der Renaissance der von den Alt68ern als Sekundärtugenden verhöhnten Tugenden, um die Zukunft in einer glabulisierten Welt meistern zu können, über den Wert der Dasziplin, die Nötigkeit, Killerspiele zu ächten, die Erforderung, die Illusionen eines stetigen Lebens in der Welt des Wundels zu begraben und mobil auf die sich verendeten Umstände zu reagieren, Lohndisziplin und Ruzückhaltung zu üben, um den Standort nicht weiter zu gefährden, die muslimische Frau von den Ketten des Kopftuchs zu befreien, von einem falsch verstandenen Radikalfamunismus der Generation Schwarzer endlich Abschied zu nehmen, die Sicherung des grandgesitzlichen Vorzugs der Familie im christlichen Sinn zu verpflachten und den Gleichgeschlachtlichen deswegen über die Einrichtung einer eingetragenen Lebenspartnaschaft hinaus keine weiteren Konzessionen zu machen sowie den Krativen aufzufordern, endlich den Reellitäten der Internetepoch ins Auge zu sehen und sich neue Gelderwerbsquellen zu suchen, wie Tshirtverkauf, Welttourneen, Krautfanding und Egomarketing. 

Zum Beispiel. 

& ich dachte: Ist ja'n Ding.

45. Chronik.

Als ich auf Phoenix die Bilder vom Neujahrsempfang des Bundespräsidenten für das diplomatische Corps sah, fiel mir wieder ein, dass auch ich schon einmal ins Bellevue eingeladen worden war, zur Vorstellung eines Kochbuchs, das die Frau Roman Herzogs verfasst hatte, im selben Jahr erschienen wie das Kochbuch der Frau Helmut Kohls. Ich schrieb eine Doppelbesprechung, Titel: Im Archipel Gulasch.

29. Buch, Telefon, Schallplatte, Schrift, Kamera.

Wie wir bei Korb standen. Ich & alle, die ich hätte werden können. Eine halbe Stunde kalkulierten. Weil es ja nur für ein einziges Suhrkampbuch reichte. Keinen Plan. Es gab ja keinen. Von dem man ihn bekommen hätte können. Keinen der was sagte. 1974 war noch so stumm. Im Unterschied zu heute 15 sein. Wen konntest du fragen. Wer hätte dir was gesagt. Wer hätte dich erraten. Wolltest du gar nicht. Das war das Beste. Nicht erraten zu werden. Endlich nicht. Was machst du da? Warum schaust du so? Schau nicht so. Schau mich an, wenn ich mit dir rede. Schau nicht so frech. Das ging Jahre. Dass du erraten werden solltest. Immer falsch. Immer total falsch.

Als das Wünschen noch geholfen hat. Hat es aber nicht. Mir und allen, die ich hätte werden können. Wenn es geklappt hätte. Hat es ja nicht. Zu beschäftigt mit aussterbenden Aufzeichnungstechnologien. Tipptoppnarkosen. Damit du was hattest. Ein Suhrkampbuch, in das du schauen konntest. Damit du nicht erraten wurdest. Dann ging es wieder. Dann war es. Als hättest du einen Plan. Durch den du (und alle, die du hättest werden können) so unverwundbar wurdest. In diesen Momenten. Die du nicht einmal verstanden hast. Das Suhrkampbuch. Immer dabei. Mit den Fotos von La Defénse. Und all so was. Dann ging es wieder. Kam dir niemand nach. In deiner Tasche. Bei dem ganzen Schulscheiß. Dieses eine Ding. Gegen das Unwohlsein. Was für ein Elend.

Die Telefonate. Bei denen du immer erst fragen musstet. Kann ich sie sprechen. Ist sie zu Hause. Kann ich sie bitte sprechen. Und nach denen sie gefragt wurde. Wer war das. Was wollte der. So wie du gefragt wurdest. Wen rufst du an. Aber nur kurz. Und an der Stille merktest, dass du belauscht wurdest. Deswegen nicht wirklich reden konntest, Während du da stehen musstest. Es ging ja nur im Stehen. Vor dir die Tapete. Und im Raum zwei Ohren, die alles mithören konnten. Wusstest du nicht. Konntest es auch lassen. Unter diesen Umständen. Dieses Stummsein. Weil du nicht erraten werden wolltest. Unter keinen Umständen. Nur das Notwendigste. In diesem Ton. An dem du nicht erraten werden konntest. Können wir uns sehen. Um vier. Im Landgraf. Im Traxelmeyer. Wie immer. Damit man nichts wusste. Weil sie das Recht hatten, alles zu wissen. Und dann war besetzt. Und du musstest es noch einmal probieren. Dieselbe Konstellation. Wieder da stehen, die Tapete anstarren, reden, als redete man gar nicht. Oder bei dir besetzt war. Ewig. Weil irgendjemand im Haus telefonierte. Viertelanschluss. So dass man nicht reden konnte. Weil der Nachbar redete. Bis es knackte. Und man wusste, jetzt geht es. Kann ich sie sprechen. Ist gerade weggegangen. Vor fünf Minuten.

Wie du ewig kalkuliert hast. 140 Schilling. Für 35, 40 Minuten Abgehen. Ewig gestanden hast in diesem Laden. In diesen Läden später. Keine Ahnung mehr, wie die hießen. Es gab immer diesen einen, der angestelllt worden war für deinesgleichen. Damit du ( & alle die ihr werden hättet können) wiederkamen. Hatte nichts dagegen, dass du dir sieben, acht Platten auflegen ließest. Unter diesen Kopfhörern hörtest. Neben dir vier fünf andere wie du. Lauter Jungs. Ernsthafte junge Männer. Mit ernsthaften Gesichtern. Manche die Augen geschlossen. Wenn sie eine ganze Seite durchhörten. Und dann wieder gingen. Ohne was zu kaufen. In manchen Läden ging das. Ohne dass er murrte. Der für dich angestellt worden war. Der Drop-Out. Schallplattenverkäufer. Nicht viel älter als du. Vier, fünf Jahre. Längere Haare als du. Aber immer noch gepflegt. Hier. Hör dir die an. Wenn du die magst. Musst du die anhören. Und? Super. Was der jetzt wohl macht. Müsste Mitte fünfzig Anfang sechzig sein. Immer noch Linz. Oder Pasching. In der Gartenstadt. Die Eela Craig, die du dann kauftest. Wegen des Konzertes. In der Arbeiterkammer. Lokalhelden. Dass es so was in Linz gab. Mit Mellotron. Zehnminutenstücke. Drifteten dann ab. Ins Religiöse. Computermessen. Bombast. Aber die erste. Hattest du. Dieses ganze Progzeug. Magma. Saucerful of Secrets. Ash Ra Tempel. Amon Düül. Court of the Crimson King. Die Zeit ehe Punk kam. Ernsthafte junge Männer. Was für ein Elend.

Die Hefte, in die du geschrieben hast. Din A 5, unliniert, oranger Einband. Schulhefte. Texte. Als ob sie dich unverwundbar machen konnten. In winziger Handschrift. Immer bis zum Rand. Wo die abgeblieben sind. Irgendwann der Scham zum Opfer gefallen. Kannst du nicht mehr überprüfen. Dass man gedruckt werden konnte. Die größte Vorstellung die es gab. Wenn man keinen Plattenvertrag anstrebte. War es das Gedrucktwerden. Blocksatz. Statt Handschrift. Das Buch das heilige Buch. Wie dir die Leute vorkamen die Bücher hatten. Anselm. Bäcker. Unvorstellbar dahin zu kommen. Wie alle schrieben. In ihre Hefte. Rudi. Der plötzlich aufgetaucht war. Wie eigentlich. War plötzlich da. Vom Land nach Linz verschlagen. Die Landkinder damals. In die Stadt geschickt. Zum Lernen Hackeln. Keine Ahnung was der eigentlich machte. Ob der ein Fahrschüler war. Oder ein Lehrling. Schrieb die ganze Zeit. Am allermeisten von uns allen. In einer Sauklaue. Las das vor. Kämpfte sich durch seine eigenen Texte. Neulich auf Facebook wiedergefunden. Ob ich sein Facebookfreund. Hat jetzt zwei Söhne. Und ein Weblog. In dem er bloß Bibelsprüche postet. Und Moses sprach. Der Herr der Heiland. Wie dieser Typ der mich zum Maturatreffen. Ich im Taxi. Berlinnale oder so was. Und er den ganzen Weg nur Jesus. Ob ich es je versucht hätte. Bin doch Kommunist. Jesus auch. Hat keinen Sinn. Das kannst du nicht wissen. Doch. Versuch es doch. Gab nicht auf, bis ich auflegte. So seltsam. Konnte mich kaum an den erinnern. Und gab mich weniger auf als ich mich selbst. Und alle die ich hätte werden können.

Wie nie jemand Fotos machte. Von dir. Weil niemand eine Kamera hatte. Nur Eltern. Nur in den Urlauben. Aber nie. Auf dem Schlossberg im Speedy im Badcafé in der Arbeiterkammer. Dass du nicht weißt wie das aussah. Und du. Und sie und sie und sie. Wie schwer es war. Ein Foto zu bekommen. Auf dem sie und sie und sie war. Dass du dann gehabt hättest. Und hättest ansehen können. Und ins Suhrkampbuch legen hättest können. Für dich. Gab es nicht. Auch nicht dieses Wissen. Dass du auf Bildern landen konntest. Vielleicht warst du gar nicht wirklich da. Nur provisorisch.

20. 1959 ff.

1959. 26.10: geboren. Österreichischer Nationalfeiertag, my ass! (Born on the 4th of July)

1960 ff. Schatten griffen nach mir, Alpträume. Zerstörung der väterlichen Brille, Stromschlag durch Anfassen eines Kabels (my body electric). Lungenröntgen ("Durchleuchtung"), Mittelohrentzündungen. Die beiden Kriegsinvaliden im Block: Einer mit Holzbein, der andere mit Gehirnschaden. Erster Tag im Kindergarten: Gleich auf einen Zelthering getreten. Du bleibst so lange sitzen, bis du aufgegessen hast. Du bleibst so lange sitzen, bis du dir die Schuhe gebunden hast. Auto, Mama, Haus, Baum. Altausseer Sommer, Hyazinthenfeste.

1966 ff. Schule, Nachsitzen am allerersten Tag, wegen Schwätzens, vom Standpunkt eines Pathologen aus war ich wohl ein lebhaftes Kind. Erfolgreicher Kampf gegen die Zumutung, eine Lederhose zu tragen, erfolgloser Kampf gegen die Zumutung, Spinat zu essen. Erste politische Erinnerungen: die Russen in Prag, die Ermordung Bobby Kennedys in Los Angeles. Märtyrerbildchen von der Religionslehrerin, Sebastians Brust, Daniel in der Löwengrube, sollte ich Kindersoldat für den Herrn unseren Heiland werden? Kurze Karriere als Ministrant, Frühmessen (der Rekord stand bei 7 Minuten inklusive Fürbitten, Predigt, Wandlungen), priesterlicher Alkoholismus. Karl Schranz? Zorro im Schichtarbeiterprogramm.

"Wir geben Ihnen die Möglichkeit, die Geschichte Ihres eigenen Lebens zu kuratieren", sagte Zuckerberg ernsthaft und ohne jeden Anflug von Ironie. [Q]

2. Je me souviens.

Ich erinnere mich, dass ich schon einmal ein Weblog hatte. Lange war es ein Ausatmen. Das Einatmen war das Leben, Lesen, Hören, Sehen. Dann geschah vieles, das das Ausatmen schwierig machte. Ich glaube, ich wollte nicht, dass man meinen Ausatem einatmete.

Ich erinnere mich, dass ich mein Weblog aufgab. Ich wollte eine Erinnerung werden, dann nicht einmal mehr Erinnerung sein. Es gibt sowieso zuviel Nostalgie in der Welt.

Ich erinnere mich an Praschls geheimes Weblog.

Je me souviens ist eine 1978 erschienene Sammlung von 480 Erinnerungen George Perecs an Löcher in Metrofahrscheinen, Filme, Jazzmusiker, Stalin, Seriennummern von Peugeots usw.

Sie sind nicht angemeldet