vague.

Samstag, 3. September 2022

Ich erinnere mich (7/15)

Ich erinnere mich an Geruchskino. Mit Rubbelkarten, auf denen man die Gerüche von Benzin und Furzen freireiben konnte.

Ich erinnere mich an den ersten Tag im Sommer, an dem die Frauen Shorts oder kurze Röcke trugen.

Ich erinnere mich an den ersten Tag im Sommer, an dem vor Diskokaiser's der Erdbeerstand stand, den wir Erdbeerbär nannten.

Ich erinnere mich an den Stammbaum mit meiner Herkunft, den mein Vater für mich gemacht hatte und auf dem ich fast niemanden kannte.

Ich erinnere mich an das Schwimmbad im Hotel Oderberger.



Im Hotel Oderberger.

Ich erinnere mich an die Glasscherben jeden Sonntagmorgen auf der Danziger.

Ich erinnere mich an Kardamomknoten.

Ich erinnere mich, dass ich ein paar Wochen jeden Abend dasselbe Essen bei Maria Bonita holen musste, als sie mit Fanny schwanger war.

Ich erinnere mich an das Wort hangry.

Ich erinnere mich an die Spaziergänge mit Babu im Nymphenburger Park. Einmal rannte er so lichtgeschwindigkeitsschnell los, dass ich über seine Leine stolperte und hinschlug.

Ich erinnere mich an das Licht im Ruffini.

Ich erinnere mich an die wiedervereinigten Velvet Underground in Hamburg. Ich erinnere mich an das Jamiroquai-Konzert in einem Zelt, das so voll war, dass irgendwann Kondensschweiß auf die Zuschauer zu tropfen begann.

Ich erinnere mich an die Abstandslosigkeit bei Konzerten.



Konzert.

Ich erinnere mich an Greil Marcus.

Ich erinnere mich an Ludwig Nagl.

Ich erinnere mich an Attwenger.

Ich erinnere mich an das Attwenger-Konzert in Santa Fu, eine Gelegenheit für die Häftlinge, mit ihren Freundinnen an Tischen zu sitzen und zwei Stunden zu fummeln.

Ich erinnere mich an den Schuppen im Garten meines Großvaters mit den Jahrgängen von Spiegel und Hobby.

Ich erinnere mich an Bob Dylan.

Ich erinnere mich an Big Bill Broonzy.

Ich erinnere mich an Hula.

Ich erinnere mich an Bernd Runge.

Ich erinnere mich an "Kim il Funk".

Ich erinnere mich an Fernschreiber.

Ich erinnere mich an die Nachrichtenagenturtickermeldungen, die ständig aus dem Fernschreiber kamen.

Ich erinnere mich an Telefaxgeräte.

Ich erinnere mich an Leichenspeicher mit vorgeschriebenen Nachrufen.

Ich erinnere mich, dass niemand einen Nachruf für Lady Di parat hatte.

Ich erinnere mich an Thermopapier.

Ich erinnere mich, dass ich die Rotis nie besonders toll fand.

Ich erinnere mich an fantastisch gestaltete Speisekarten in Ostberliner Restaurants.

Ich erinnere mich an die Kategorie „Sättigungsbeilage“.

Ich erinnere mich an großartige Layouts in der Schweiz.

Ich erinnere mich an twen.

Ich erinnere mich, dass es in der twen Seiten gab, auf denen man zusehen konnte, wie ein Schriftsteller rauchte, mit jedem Foto war die Zigarette ein paar Züge kürzer geworden. Wie sehr mich so etwas elektrisierte.

Ich erinnere mich an das Brüten des Himmels vor Sommergewittern.

Ich erinnere mich, wie die Mücken stachen, ehe es gewitterte.

Ich erinnere mich an Neil Young.

Ich erinnere mich, dass ich mal in Nina Proll verschossen war.

Ich erinnere mich, dass Hedi in Wahrheit nach Bobo Siebenschläfers Schwester benannt ist, deren Name Fanny aufgefallen war.

Ich erinnere mich, dass ich sagte, Hedis Name sei von Hedy Lamarr inspiriert worden.

Ich erinnere mich, dass ich Fanny- und Hedi-Museen im Netz eröffnen wollte, mit den Biografien der großartigen Fannys und Hedis, die es zu rühmen gibt. Noch etwas auf dem Friedhof meiner unverwirklichten Projekte.

Ich erinnere mich, dass ich hin und wieder sagte, ich könne mich nicht erinnern, obwohl ich mich erinnern konnte.

Ich erinnere mich an "Erinnerungskultur".

Ich erinnere mich an "Orte der Erinnerung".



Erinnerungsort auf einem Spielplatz in Paris.

Ich erinnere mich, dass ich nie verstand, warum man sich an Orgasmen, aber nicht an Zahnschmerzen erinnern kann.

Ich erinnere mich an Orgasmen. Ein halbes Dutzend vielleicht.

Ich erinnere mich, wie sehr mich der Tod David Bowies betrübte.

Ich erinnere mich an die Tomaten auf der Dachterasse in Bahrenfeld.

Ich erinnere mich an das Saatgut der anarchistischen Association Kokopelli.

Ich erinnere mich, wie geheimnisvoll ich immer wieder fand, was Frauen trugen.

Ich erinnere mich an Strümpfe.

Ich erinnere mich an Bügel-BHs.

Ich erinnere mich an Spitzenunterwäsche.

Ich erinnere mich, wie verschlissen Spitzenunterwäsche oft aussah.

Ich erinnere mich an Unterwäsche für besondere Anlässe.

Ich erinnere mich an Alltagsunterwäsche.

Ich erinnere mich an meinen Impuls, an Gstrings zu ziehen.

Ich erinnere mich an Strumpfhosen.

Ich erinnere mich an Hosenröcke.

Ich erinnere mich an Pliséeröcke.

Ich erinnere mich an die Chirurgin im MVZ, die ein wrap dress von Diane von Furstenberg trug.

Ich erinnere mich, wie sehr ich Frauen für ihre Sommerkleider beneidete.

Ich erinnere mich an den Wickelrock, den ich auf Tonga kaufte. Und dass er Größe XS war. Und wie wohl ich mich in ihm fühlte.

Ich erinnere mich, dass vor dem Abflug nach Hawaii die Stewardessen durch das Flugzeug gingen und fragten, wer seat belt extensions benötige.

Ich erinnere mich an den Palast des Königs von Tonga.

Ich erinnere mich an die Regale mit Corned Beef im Supermarkt von Nukuʻalofa.

Ich erinnere mich an die Melonenfelder auf Tonga für den Export nach Japan.

Ich erinnere mich an die Melonen-Geschenkverpackungen in Tokioter Supermärkten.

Ich erinnere mich, wie sexy ich es fand, mit einem Strohhalm aus frisch angebohrten Kokosnüssen zu trinken.

Ich erinnere mich, dass ich bei Greengrocery einen Kokosnussbohrer kaufte.

Ich erinnere mich an Orangeneis in ausgehöhlten Orangenschalen.

Ich erinnere mich an Spaghettieis.

Ich erinnere mich an Spaghettiträger.

Ich erinnere mich an Suppe in ausgehöhlten Brotlaiben.

Ich erinnere mich an Zwiebelsuppe unter einer Käsehaube. Wenn man sie aufstach, begann es zu dampfen.

Ich erinnere mich an die Kuttelsuppe mit Hermann Burger. In einer Beiz.

Ich erinnere mich daran, wie toll ich Schweizer Wörter immer wieder fand.

Ich erinnere mich, dass ich einem Autor mailte, ob ich beim Redigieren seines Textes Füdli durch Pussyersetzen solle. Er antwortete konsterniert, Füdli sei ein Schweizer Wort für Hintern.

Ich erinnere mich an Hirn mit Ei.

Ich erinnere mich an die Suppe mit Blutwürfeleinlage in Chinatown.

Ich erinnere mich an die Suppe mit Schienbeinfleischeinlage in Chinatown.

Ich erinnere mich an Fischkopfcurry.

Ich erinnere mich an die Därme in Garnelen. Und dass man sie mitaß, wenn sie zu klein waren. Und ich mir dann sagte, dass ich Garnelscheiße aß. Und sie trotzdem aß.

Ich erinnere mich, dass ich Milka immer lieber mochte als Schokolade mit 80 Prozent Kakaogehalt.

Ich erinnere mich an das Gras, wenn man Artischocken aufschnitt.

Ich erinnere mich an Nussknacker.

Ich erinnere mich an das Eierausblasen.

Ich erinnere mich an das Gerücht, dass sich das Schwimmbeckenwasser um Menschen, die in es pinkeln, rot färbe.

Ich erinnere mich, trotzdem ins Schwimmbecken gepinkelt zu haben.

Ich erinnere mich an Adorno, der plötzlich auf der Prenzlauer hing.



Adorno.

Ich erinnere mich das Fuck you all-Plakat, das plötzlich in der Marienburger hing.



Fuck you all

Ich erinnere mich an die Trinkhalle.

Ich erinnere mich an Stevie Wimmer.

Ich erinnere mich an Cargo.

Ich erinnere mich ab Malorama.

Ich erinnere mich an Military Of the Heart.

Ich erinnere mich an Last.fm.

Ich erinnere mich an Geotracking.

Sie sind nicht angemeldet