11. iPad.
Romane gehen nicht. Eine Langstreckengeschichte muss sich biegen lassen & einen Rücken haben & Eselsohren bekommen können & soll mir hinunterfallen dürfen, wenn mir die Augen zufallen & muss im Regen wie auf einem Sandstrand weitergelesen werden können, nicht dass ich in den letzten Jahren an einem Sandstrand gewesen wäre, aber wenn ich es gewesen wäre & will, wenn ich keinen Zettel habe, auf den Schmutztitel eine Einkaufsliste schreiben können.
Der New Yorker, Datum, Port, die New York Times, das SZ Magazin gehen sehr gut auf dem Ipad. ¶ Der New Yorker geht besser als gedruckt, er ist billiger als an deutschen Kiosken und im Abonnement lächerlich billig, er ist jeden Montag auf dem iPad und nicht erst zwei Wochen später als in New York am Kiosk, die Gedichte werden von ihren Autoren vorgelesen, die Fotografien schön präsentiert. Es gibt Anthologien, für die man als Abonnent nicht extra bezahlen muss: eine Auswahl von "Talk of the Town"-Texten, eine Sammlung von Geschichten über die Veränderungen durch die digitale Revolution, eine Sammlung von Texten über Golf. ¶ Die NYT auf dem iPad bringt halbwegs das Glück zurück, das ich auf Long Island hatte, wenn ich Samstag abends zum Deli ging, Chicken Salad, Eiscremeeimer und die Sunday Times kaufte, einen faulen Sonntag vor mir, schön, dass auch die Hochzeits-Artikel und die Obits da sind. ¶ Datum ist ein hervorragendes österreichisches Monatsmagazin, mit nichts vergleichbar, was in Deutschland erscheint, solides Nachdenken über den Stand der Welt und dennoch hedonistisch, schöne Standards, Polemiken, Essays, Reportagen, solide Typografie, gutes Papier, wenn man die gedruckten Ausgaben bekommt. In Deutschland bekam ich sie nur auf Bahnhofskiosken, dann nicht mehr, dafür jetzt auf dem iPad - geschenkt. ¶ Port ist ein Männer-Magazin, in London gemacht. Die Titelgeschichte der zweiten Ausgabe war ein Portrait des "New Yorker"-Chefredakteurs David Remnick, verfasst von Nicholson Baker, & das ist durchaus kein Ausreißer nach oben. Die erste Ausgabe bekommt man kostenlos aufs iPad. ¶ Das SZ Magazin ist eine pingelige No-Nonsense-Umsetzung des gedruckten SZM fürs iPad, nur ein wenig multimedial, wenn es sich gerade anbietet. ¶ Die iPad-Magazine, die mit dem Schnickschnack daherkommen, der auf Tablets möglich ist, interessieren mich nicht besonders, ein paar Mal habe ich "toll gemacht" gedacht, ohne besonders nachhaltig beeindruckt gewesen zu sein. ¶ Was mich irritiert: Dass alles unter Glas ist, wie in einer Lesevitrine, das kommt mir gelegentlich wie eine unpassende Auratisierung vor, dreckige schnelle ungezähmte Magazine kann ich mir auf Tablets nicht vorstellen, alles ist immer unter derselben Oberfläche versiegelt. ¶ Was mich stört: Dass man leichter vergisst, was man auf dem iPad gebunkert hat und noch lesen wollte. Gedruckte ungelesene Magazine liegen auf einem Stapel, wenn mir danach ist, fische ich mir eines heraus. Auf dem iPad muss man dagegen immer zielgerichtet navigieren, beschlossen haben, dass man jetzt die Times liest oder den New Yorker, es gibt keinen Stapel, Haufen mehr, in dem man alles mögliche finden könnte. ¶ Was mich noch mehr stört: iPads sind unangenehm privateigentumsbildend. Ich kann niemandem den letzten New Yorker schenken, ihn im Café liegenlassen, damit ihn dort ein anderer findet, ich kann die NYT nicht in der Ubahn liegenlassen, nicht einmal in der eigenen Wohnung, wo sich dann O. oder Besucher etwas herausfischen könnten. Seltsam, wenn Magazine so verschweisst sind mit dem Regal, in dem man sie ablegt, man kann sie nicht mehr kollektivieren, weil man das Regal noch benötigt.