vague.

Dienstag, 19. März 2013

75. Vati-Shooter.

Sie erleben den Zweiten Weltkrieg so unmittelbar wie in keinem TV-Film zuvor. Sie setzen sich aus freien Stücken intensiven Angsterlebnissen aus. Sie sind dabei, wenn die Innerlichkeitspanzer nicht stand halten. Sie folgen Ihrem Vater in eine endlose, grausame und sinnlose Vernichtungsschlacht. Sie sind noch nie so unmittelbar in den Nationalsozialismus eingestiegen. Sie treiben viereinhalb Stunden lang weitgehend ohne emotionale Ausruhinseln durch die Geschichte. Sie lernen Vielschichtigkeit und Zerrissenheit kennen, jene Zwischenwelten, die eisige Achtundsechziger ihren Eltern nicht zugestehen mochten. Sie sehen zu, wie Mama und Papa, Oma und Opa Teil eines verbrecherischen Systems wurden, Menschen erschossen, sich von Literaturfreunden in eine Tötungsmaschine verwandelten und sich von einem Gestapo-Mann vögeln ließen. Sie stellen sich unausweichlich gewordene schmerzhafte Fragen. Sie begegnen Ihrem Vater auf Augenhöhe in den Schützengraben von Stalingrad. Sie begreifen, dass der Verlust von Anstand und Ehre so schlimm ist wie der Tod. Sie machen vielleicht die Erfahrung, wie es ist, wenn Tote ins Leben zurückkehren. Sie erkennen, was Ihre Großeltern so sprachlos hat werden lassen. Sie sehen, wie 50.000 Platzpatronen und 200 kg Schießpulver verballert werden. Sie fragen sich: Wer wären Sie selbst in diesem Film gewesen? Sie scheuen die Verstörung nicht, dass die Täter ganz gewöhnliche Männer und Frauen waren und als solche auch zurückkehrten in ihre Familien. Sie entwickeln unweigerlich eine tiefe Liebe zu diesen Figuren in ihrer verzweifelten Unzulänglichkeit.

Quellen: [1] [2] [3] [4] [5] [6] [7] [8] [9] [10]

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