vague.

Sonntag, 10. Juni 2012

61. Autourette.

In diesem Sommer saßen wir so herum. Wir hatten den Aufruf „Wir sind die Urheber“ unterschrieben und warteten darauf, dass etwas passierte. Es passierte aber nichts. Meinst, dass noch was passiert?, fragte Kapp. Geh bitte, sagte Kippen. Aber irgendetwas muss doch passieren, sagte Kapp. Claudia Roth in Libyen zu allem entschlossen, sagte Kippen. Was? Claudia Roth in Libyen zu allem entschlossen, sagte Kippen. So ein Sommer war das.


Irgendwann war es Lauer zu blöd geworden. Wenn die sich absichtlich so blöd stellen, nehmen wir ihnen die Urheberrechte eben wirklich weg, sagte er, und der einzige Superdelegierte, der bei den Piraten noch abstimmte, gab ihm seine 1.112.324 Stimmen. Sechs Wochen später hatten wir keine Urheberrechte mehr, die Novelle war zackig durch den Bundestag gepeitscht worden, irgendein Deal, hieß es, auffällig war, dass drei Tage später die Piraten der Flexiquote zugestimmt hatten, „ein Kompromiss zwischen unseren Post-Gender-Positionen und der Linie des Kegelclubs“, sie hatten nicht lange gebraucht, um wie die anderen zu werden. Merkst du schon was?, wollte Kapp wissen. Ach geh, sagte Kippen. Zwei haben mich runtergeladen, das war alles. Was für eine Scheiße. Einer war ich, sagte Kapp. Ich wollte testen, ob es geht. Na toll, sagte Kippen. So ein Sommer war das.


Musst du dich auch melden? fragte Kapp. Die wollen von mir, dass ich Kindergärtner werde. Kippen lachte. Kapp: Kannst du bitte aufhören mit dem beschissenen Lachen! Kippen: Wissen die überhaupt, was du machst? Kapp: Kindergärtner! Kippen: Du kannst ihnen ja deine Texte vorlesen. Kapp: Meinst? Kippen: Oder einer von den Müttern. Kapp: Von einer Mutter, die einen Kindergärtner will, will ich ganz sicher nichts. Kippen: Vielleicht ist sie mit einem Piraten verheiratet. Kapp: Wenn sie mit so einem zusammen ist, will ich noch weniger von ihr. Kippen: Vielleicht wacht sie auf, wenn du ihr deine Texte vorliest. Kapp: Ganz sicher nicht. Kippen: So wenig traust du deinen Texten zu? Pause. Kapp: Was passiert eigentlich, wenn ich mich nicht melde? Kippen: Würde ich nicht riskieren an deiner Stelle. So ein Sommer war das.


In diesem Sommer saßen wir so herum. Kapp, der schon lange keine Frau mehr kennengelernt hatte, lernte eine Frau kennen. Und? wollte Kippen wissen. Ach, sagte Kapp. Depp, sagte Kippen. Was hat sie denn gestört? Was ich halt mache, glaub' ich. Was du machst? Beruflich. Du hast doch keinen Beruf. Wollte sie aber wissen. Ich hab gesagt: Ich könnte Autor sein. Bist du total von Sinnen? Was wolltest du ihr denn mitteilen? Wenn uns die Piraten nicht das Urheberrecht weggenommen hätten, wäre ich Autor. Weil die Piraten uns das Urheberrecht weggenommen haben, bin ich kein Autor. Aber ich könnte. Unter anderen Bedingungen. Unter anderen Bedingungen könnte ich auch. Hat sie irgendwie gestört, glaube ich jedenfalls. So ein Sommer war das.


Kapp: In meinem Haus ist ein Autor eingezogen. Kippen: Wer denn? Kapp: Oder Autorin. Ich kenn ihn ja nicht oder sie. Kippen: Wieso weißt du dann, dass der Autor ist? Kapp: Oder die. Kippen: ODER DIE! Kapp: Weil es im Haus seit ein paar Tagen ein neues W-lan gibt, das CELAN heißt. Kippen: Bist du deppert. Kapp: Echt wahr. Kippen: Und warst du schon drin im Celan? Kapp: Logisch. Kippen: Das Password war nicht wirklich „SchwarzeMilch“. Kapp: „SchwarzeMilch1234“. Kippen: Und? Kapp: Nix und. So ein Sommer war das.


Kippen: Wir können einen Darkroom aufmachen. Kapp: Weil dich da keiner sieht. Kippen: Was? Kapp: Weil dich in einem Darkroom keiner sehen kann. Kippen: Warum soll mich niemand sehen? Kapp: Damit du eine geringfügige Chance bekommst, angefasst zu werden? Kippen ist beleidigt. Nach längerem Schweigen: Trottel. Kapp: Du willst doch einen Darkroom aufmachen. Kippen: Doch nicht für Menschen. Kapp: Sondern? Kippen: Für Bücher. Kapp: Bücher. Kippen: Analogbücher. Kapp: Einen Raum, in dem man Bücher anfasst. Kippen: Genau. Kapp: Wieso? Kippen: Genießen Sie das haptische Erlebnis echter Papierbücher! Kapp: Kafka befummeln! Kippen: Zehn Minuten nur zehn Euro! Kapp: Genial. Kippen: Ein Knüller. So ein Sommer war das.


Kippen: Die Geschichte eines Mannes, der unbedingt Autor werden wollte. Kapp: Wieso? Kippen: Wegen Norman Mailer. Kapp: Geh bitte, wer kennt denn Norman Mailer? Kippen: Von mir aus wegen Peter Handke. Kapp: Schwammerlsuchen im Wald, Überlandwanderungen, noch mit der Hand schreiben. Kippen: Na, dann wegen David Foster Wallace. Kapp: Lieber nicht. So ein Sommer war das.

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